Nämlich dann, wenn durch das Überentspanntsein des einen die Spannung beim anderen auf ein schmerzhaft-überspanntes Niveau ansteigt?
Nun ist es kein Geheimnis, dass sich mein Temperament auf der Spannungs-Skala eher am oberen Ende einreiht. Im Pazifik jedoch konnte ich auf besagter Skala einige Punkte gutmachen, so dass ich mittlerweile im für mein Naturell entspanntest-möglichen inneren Gleichgewicht angelangt bin. Selbst abgesagte Flüge, eine langwierige Fährüberfahrt und stundenlanges Warten (worauf auch immer) bringen mich nicht mehr so leicht aus der Ruhe. Was ich nicht wusste, war, dass der Abschlusstest erst kurz vor dem Abflug aus Vanuatu stattfinden würde.
Internationaler Flughafen Port Vila, Vanuatu: Gemeinsam mit rund 50 weiteren Passagieren stehen wir geduldig in der Schlange vor dem verwaisten Check-in. Weit und breit kein Flughafenpersonal in Sicht. Unser Flug geht in zwei Stunden. Also warten wir - eine geschlagene Stunde. Bis das Bodenpersonal dann doch auftaucht und hinter ihre Schalter schlurft, sich gemütlich einrichtet, nochmals verschwindet und schliesslich gemächlich mit dem Check-in beginnt. Na endlich! Unser Flug geht in einer Stunde und vor uns warten noch 25 andere Passagiere. Ruhig bleiben, sag ich mir. Der Check-in dauert heute speziell lang: alle kriegen händisch ausgestellte Boardkarten (weil der Airline-Hauptsitz in der Stadt heute Nacht abgebrannt ist, ist kein IT-System verfügbar - sagt mir die Barrista, die mir den viel zu heissen Cappuccino to go zubereitet). Die Warteschlange scheint immer noch gleich lang. Unser Flugzeug fliegt in 45 Minuten. Ruhig bleiben. Warum nur ist in dieser Krisensituation keiner auf die Idee gekommen, die Schalter FRÜHER anstatt SPÄTER aufzumachen? Unser Flugzeug fliegt in 30 Minuten. Ruhig bleiben! Und warum man als Ni-vanisches Bodenpersonal selbst eine Viertelstunde vor geplanter Abflugszeit immer noch völlig entspannt hinter den Schaltern hin und her schlurft, werden wir wohl nie verstehen. Trotzdem bleiben wir ruhig. Als jedoch der Grenzbeamte bei der Passkontrolle meinen Pass als Zahnstocher benutzt während er mir eine Frage stellt, gerät mein wohl ausbalancierter innerer Gemütszustand dann doch in nullkommagarnichts in den roten Bereich, was zu einem schockiert-ungläubigen Aufschrei meinerseits führt. Entspanntsein in Ehren, aber weshalb sollten alle anderen die nicht übernommene Spannung tragen?! Insgeheim frag ich mich, ob das nicht bereits an Egoismus grenzt.
Schlussendlich fliegen wir mit einer Stunde Verspätung los und die (An-)Spannung, ob wir unseren Anschlussflug entspannt erwischen, steigt.