Unser Ausbruch aus Potosí ist geglückt! Gott sei Dank! Und das meine ich wörtlich. Aber alles der Reihe nach.
Bei einem kurzen Frühstück im Hostel lernen wir ein deutsches Paar kennen, das heute ebenfalls den Ausbruch plant. Wir vereinbaren, gemeinsam loszuziehen und bestellen uns ein Taxi, das uns zur ersten Strassenblockade fährt. Die Streikenden sind nett, ja, fast herzlich und lassen uns freundlich passieren. Nach rund 200 Metern treffen wir bereits auf die ersten Fahrzeuge auf der anderen Seite. Leider haben die alle kein Benzin mehr, und die Fahrer ziehen mit grossen Kanistern los über die Sperre nach Potosí (hätten wir das gewusst, wir hätten bestimmt Benzin mitgebracht). Wir treffen auf zwei Chilenen, die wegen eines Fussballspiels hergekommen sind und nun ebenfalls festsassen. Der eine wird zu einem wahren Segen, indem er sämtlichen ankommenden Minibussen entgegen rennt und für unsere ganze Gruppe (mittlerweile acht Personen) Mitfahrgelegenheiten sucht. Dieses Treiben dauert gut eine Stunde bis er endlich "vamanos!" ruft und Leben in unser Lager kommt. Endlich geht es los: 14 Passagiere sitzen dichtgedrängt im Minibus - eine bunte Mischung aus Einheimischen und Touristen. Fast herrscht eine euphorische Stimmung im kleinen Gefährt; alle sind froh, dass sie es geschafft haben. Die wunderschöne Landschaft auf der Fahrt entschädigt die Wartezeit mehr als nur! Wir geniessen es und sind dankbar. Bis zur nächsten Strassensperre kurz vor Uyuni. Man spürt den Respekt des Fahrers, der nicht allzu nah an die Sperre ranfahren will. Das Fahrzeug stoppt und wir steigen aus. Die Chilenen haben den Bus schon vor allen anderen durchs Fenster verlassen und verhandeln bereits lautstark mit den Streikenden. Mein Held schliesst sich ihnen an und redet eindringlich in seinem besten Spanisch auf die Mineure ein. Doch die haben kein Musikgehör für gestrandete Touristen. Die Strasse bleibt zu. Ja, wir könnten laufen, aber die nächste Sperre ist zwei Stunden entfernt und wir befinden uns schliesslich auf 4'000 Meter, was einen solchen Spaziergang schnell in eine gewaltige Anstrengung verwandelt - unser ganzes Gepäck hätten wir natürlich mitnehmen müssen. Unsere kleine deutsch-schweizerische Vierergruppe ist sich einig: das schaffen wir. Als jedoch plötzlich vermummte Mineure auftauchen und in der Nähe Dynamitstangen gezündet werden, werden wir zurück in den Bus beordert und dann geht alles schnell. Der Fahrer wendet und biegt von der Hauptstrasse auf einen staubigen Weg ab. Wir wissen nicht, was mit uns geschieht, aber unsere einzige Hoffnung sind diese Männer und ihr Bus. Plötzlich fällt mir auf, dass ein Mann mehr im Bus sitzt. Im Nachhinein bin ich überzeugt, dass es ein Engel sein muss. Er scheint jeden Pfad in dieser Wildnis zu kennen und leitet den Fahrer sicher und ruhig durch das Nirgendwo. Vor zwei Bächen, die es zu überqueren gilt, ermutigt er die Mannschaft mit einem "tranquillo" - nur ruhig - und schon sind wir am anderen Ufer. Es herrscht eine angespannte Stille im Bus. Bis vor uns zwei Strausse auftauchen, die uns eine Zeitlang rennend begleiten. Alle sind überwältigt von diesem speziellen Anblick. Doch das nächste Hindernis wartet bereits: eine Sanddüne. Wir werden aufgefordert, auszusteigen und gehen zu Fuss weiter während der Busfahrer mit Anlauf durch den Sand fährt. Die Männer schieben mit aller Kraft, aber das rechte Hinterrad bleibt trotzdem im Sand stecken. Wieder ergreift der junge Chilene das Kommando und weist die Gruppe an, Äste von den umstehenden Büschen abzubrechen und auf die Fahrbahn zu legen. Die ganze Gruppe wird aktiv und nach rund 20 Minuten fährt der Bus unterstützt durch die schiebenden Männer und begleitet von meinen Jubelrufen erfolgreich durch den Sand auf sicheren Boden. Jetzt ist es egal, wer Europäer, Chilene oder Bolivianer, Frau oder Mann ist - zurück im Bus wird Essen ausgetauscht, Wasser verteilt und die bunte Gruppe ähnelt nun mehr einer Familie als einer Gruppe Reisender.
Nach 9 Stunden kommen wir müde und dreckig von den staubigen Strassen in Uyuni an. Dem Fahrer, dem Engel und dem chilenischen Helden würde ich am liebsten um den Hals fallen! Gott sei Dank sind wir gesund hier!